Was macht Pfarrer Johannes Keller, wenn er die Vision hat, zum 500-Jahres-Jubiläum der Reformation einen ganz besonderen Gottesdienst zur Feier der Gemeinsamkeiten zu begehen? Er fragt zwei Musikvereine an, ob sie den Anlass gemeinsam musikalisch begleiten würden und fügt gleich noch einen adhoc-Chor hinzu.
Und so sassen denn mehr als 40 Musikantinnen und Musikanten der Vereine Pfungen und Neftenbach miteinander auf der Bühne der Mehrzweckhalle Auenrain, und hinter ihnen standen noch ebensoviele Sängerinnen und Sänger. Der Saal vor der Bühne war voll besetzt, das Hilfspersonal baggerte im Hintergrund noch zusätzliche Stühle herbei. Der ökumentische Bettagsgottesdienst der drei reformierten Kirchgemeinden Neftenbach, Pfungen und Dättlikon sowie der katholischen Kirchgemeinde konnte beginnen.
Mit «Celtic Crest», der inoffiziellen Hymne des Basel-Tattoos von Christoph Walter, begann der Anlass feierlich und majestätisch. Die beiden Musikvereine hatten sich weitestgehend individuell vorbereitet. Die Dirigent/innen hatten jeweils gegenseitig an einer Probe des Partnervereins den Feinschliff für «ihre» Stücke erarbeitet. Erst am Samstag waren die Vereine zu einer gemeinsamen Hauptprobe zusammengekommen. Doch für das Publikum war das wohl kaum wahrnehmbar, denn das gemeinsame Orchester füllte den Saal mit einem satten Klang, wie wenn es seit Jahren zusammen spielen würde – der Sound war homogen und überzeugend, und nach dem Anlass gab es Rückmeldungen, man habe geradezu Gänsehaut gekriegt.
Noch schwieriger war die Probearbeit bei den speziell für diesen Anlass komponierten Liedern: bis am Samstag hatten die Chöre nur ihre Stimmen ohne Begleitung gekannt und die Musikvereine nur die Begleitung ohne Gesang. Entsprechend skeptisch waren viele, wie das «komische Zeug» wohl klingen würde. Doch miteinander tönte es jetzt plötzlich ganz anders, und die Freude darüber widerspiegelte sich am Sonntag auch in der Energie der Musik.
Das Ausgangsstück «Yellow Mountains» von Jacob de Haan, welches die herbstlichen Lärchenwälder des Engadins beschreibt, sorgte am Schluss nochmals für «Gänsehaut»-Erlebnisse und passte auch wunderbar zur inzwischen aus dem Nebel getretenen Herbstsonne vor der Halle. Für uns Musiker war es ebenfalls ein wunderbares Erlebnis, in einem so grossen und ausgewogen instrumentierten Orchester zu spielen. Schliesslich ist es heutzutage so, dass man als Verein sogar dann, wenn man zahlenmässig im grünen Bereich ist, meistens eine unausgewogene Besetzungen hat. Heute aber konnten Pfungens Trompetenstärke und Neftenbachs gut ausgebautes Holzregister einander wunderbar ergänzen – auch für die Dirigierenden sicher ein Genuss.
Zum Schluss ein interessantes Detail: in der Pause der Hauptprobe am Samstag standen Grüppchen von Pfungemern und Neftenbachern weitgehend getrennt auf dem Platz herum. Nach dem Gottesdienst am Sonntag gab es schon wesentlich mehr gemischte Gruppen, die mit einer Wurst und einem Glas Wein in der Hand über das vergangene Konzert plauderten. Musik verbindet eben, und so wurde Pfarrer Kellers Vision zumindest ein bisschen wahr.
Danke Johannes, Dank an alle Beteiligten und vor allem: danke Pfungen – von mir aus gerne wieder mal!
Alex Epprecht