KonzertVereinsanlass

Fünf Jahre ist es schon her, seit der MVN die letzte Musikreise gemacht hat, und die war ohne Instrumente (Tirol). Aber jetzt stehen wir morgens um 06:30 in Nefti vor dem VOLG und beladen den Moser-Car mit unseren Instrumenten, um ins Val Müstair zu fahren. Die Vorfreude ist gross. Nur schade, mussten noch kurzfristig einige krankheitshalber absagen.

Eine lange Fahrt

Die Fahrt beginnt gut: der Verkehr ist flüssig, das Wetter (noch) ok, und die Teilnehmenden grösstenteils noch etwas müde. Kein Wunder, hängen viele schlafend in ihren Sesseln. Bei Davos Wolfgang werden sie durch den Reiseleiter brutal geweckt, denn der Kaffeehalt in Kesslers Kulm steht auf dem Programm. Beim Aussteigen fährt zuerst ein Rudel Monster-Pick-Ups mit verhinderten Cowboys am Steuer vorbei. Dann versammeln sich auf dem Parkplatz zum Teil stark aufgemotzte Stingrays, die Fahrer mehrheitlich angegraute Herren, die sich mit mehr oder weniger Mühe aus den tiefen Schalensitzen schälen. Es scheint das Wochenende der Auto-Clubs zu sein. Der Koffein-Schub bei Kesslers wirkt. Die Reisegruppe erwacht langsam, und bei der Fahrt über den Flüelapass wird wesentlich fleissiger kommuniziert. Unter anderem kommentieren die erfahreneren Mitglieder das Wetter: typisch für Reisen, die der Schreibende seit mehr als einem Dutzend Jahren organisiert, ist nämlich Regenwetter. Das scheint sich anzubahnen, und schon bald haben die Scheibenwischer viel zu tun. Bald sind wir im Engadin, und es geht wieder kräftig aufwärts zum Ofenpass. Unser Chauffeur Peter hat die Sache voll im Griff, auch die teilweise sehr schmalen Baustellen fährt er sicher und ruhig. Das ist auch nicht so schwer, denn ein Blick durch die Frontscheibe zeigt, dass es praktisch keinen Verkehr hat. Uups! Ein Blick nach hinten offenbart, dass die der gesamte Verkehr hinter uns versammelt hat. Sorry, Leute. Die Durchfahrt durch Sta. Maria wird dann richtig eng. Nicht alle Autofahrer haben den Überblick, und so muss der Chauffeur des entgegenkommenden Postautos aussteigen und den Autofahrern erklären, wie sie den Knoten nun lösen sollen. Nach einiger Zeit klappt es, und die beiden Busse können weiterfahren. Pünktlich zur Mittagszeit werden wir in Müstair im Hotel Helvetia herzlich empfangen – die Wirtin hat für die Menukarten sogar unsere Website durchforstet und das offizielle Bild vom Eidgenössischen in Montreux heruntergeladen.

Müstair

Müstair (Dorf) ist nicht zu verwechseln mit Val Müstair (Tal), denn das Dorf unterscheidet sich von allen andern Dörfern im Tal unter anderem dadurch, dass es konsequent katholisch geblieben ist, während die anderen reformiert wurden. Offenbar scheinen die traditionellen Rivalitäten überlebt zu haben. Das kann uns aber egal sein. Wir haben gerade das Dessert bestellt, da werden wir von Treicheln-Geläut aus dem Esssaal gelockt. Nein, es sind keine Freiheits-Trychler, die versuchen, einem Virus zu imponieren, sondern ein halbes Dutzend Sennen, die als Vorhut des Alpabtriebs durch das Dorf schreiten. Dahinter kommen in mehreren Gruppen sicher über Hundert Rinder und Kühe, zum Teil mit aufwändigem Kopfschmuck. Cäme streckt ihnen immer wieder die Hand entgegen, doch alle weichen ihr grossräumig aus: «kein Rind ruft mich an, keine Kuh interessiert sich für mich» wäre das passende Lied dazu.

Nachdem wir doch noch unser Dessert genossen haben spazieren wir zum Kloster hinüber. Wieder seltsame Geräusche, diesmal ist es ein lautes Knallen. Die Erklärung: Auf dem Dorfplatz knallen zwei «Geislechlöpfer» (keine Ahnung, wie das auf romanisch heisst) mit ihren mächtigen Peitschen um die Wette. Es sieht sehr athletisch aus. In zwei Gruppen werden wir dann durch die Klosterkirche und den öffentlichen Teil des Klosters geführt und erfahren viel über dessen Geschichte.

Dann aber ist es Zeit, zum zentralen Teil der Reise überzugehen – wir fahren nach Sta. Maria zurück und werden im Hotel Alpina von der Wirtin Vanessa herzlich willkommen geheissen. Rascher Zimmerbezug, noch rascheres Umziehen, und dann geht es zum Schulhaus.

Das Doppelkonzert

Der Car mit den Instrumenten steht schon dort, und wir richten uns rasch für die Vorprobe ein. Nach einer halben Stunde kommen die Musiker/innen der «Musica Aurora Sta. Maria – Valchava»  dazu, und wir probten die beiden gemeinsamen Stücke. Die Aurorianer bewirten uns anaschliessend mit Penne und drei hervorragenden Saucen (ich habe alle drei probiert, es waren wirklich alle super), machen dann selber auch noch eine kurze Vorprobe und dann werden die Gäste eingelassen.

Leider wird die Halle nicht voll – es bleiben viele Sitze leer, doch es reicht, um ein «Konzertfeeling» aufkommen zu lassen. Zuerst spielt die Musica Aurora: Ihr Konzert kommt sehr gut an, und wir sind erstaunt über deren ausgewogenen Sound, denn sie haben nur gerade eine Klarinette und eine Querflöte, dafür 5 Euphonien und 2 Tuben. Sie haben also genau das gegenteilige Problem wie wir. Im zweiten Konzertteil spielt dann der MVN – ohne Tuba und mit nur zwei Euphonien, aber dafür mit einem schönen Klarinetten- und Querflötenregister. Auch unser Auftritt wird vom Publikum sehr gut aufgenommen, bei den letzten Stücken wird auch begeistert mitgeklatscht. Selber ist man natürlich kritischer, realisiert viele kleinere und grössere Patzer, und fragt sich: welche davon waren für das Publikum wohl wahrnehmbar? Was meint unser Dirigent Vitalij dazu? Seine diplomatische Aussage: «ihr seid auf dem richtigen Weg». Ach ja, wenn wir schon von ihm sprechen: man spricht seinen Vornamen Vitāli aus, auf dem langen A betont.

Dann aber kommt der gemeinsame Auftritt der beiden Vereine, und das ist der Hammer. Wie erwähnt haben die Bündner starke tiefe Register und wir starke hohe Register. Zusammen gibt das einen Sound, dass man Hühnerhaut kriegt. Dass wir auf der engen Bühne Schulter an Schulter stehen, macht den Klang noch kompakter und voller. Es ist ein Erlebnis, so zu spielen, und offenbar kommt das auch dem Publikum so rüber.

Nach dem Konzert kündigt Philipp (nicht unser Philipp, der von der Aurora) die Tombola an und sucht eine Glücksfee. Er findet sie in der Gestalt von Cäme. Da jeder Preis zuerst noch hochgehalten und kommentiert wird, dauert die Sache ziemlich lange. Anschliessend geht es zur Bar, wo dann vor allem die Jüngeren voll zum Zuge kommen. Bei Skihütten-Stimmungs-Musik und vielen Shots geht die Post ab. Die Feiernden sind zwar fast nur noch Musikantinnen und Musikanten der beiden Vereine, aber wen kümmert’s. Die Stimmung ist ausgelassen. Bemerkenswert: auch unser CISM-Veteran Christian ist bei den letzten, die in einer kerzengeraden Schlangenlinie zum Hotel zurückkommen. Über die Leiden einiger Mitglieder am folgenden Morgen legen wir den Mantel der Verschwiegenheit, doch eines muss gesagt werden: ALLE waren zeitgerecht beim Frühstück, getreu dem Motto «Wer feiern kann, kann auch aufstehen».

Der Weg zurück

Um 9 Uhr wird das Gepäck in den Car geladen und man spaziert gemütlich wieder zum Schulhaus, um die Instrumente zu holen. Dort sind die Aurorianer schon fleissig am aufräumen. Einige von uns helfen noch beim Zusammenräumen der Tische, und dann heisst es Abschied nehmen. Wir sind uns einig: das muss wiederholt werden, natürlich nächstes Mal in Neftenbach. Auf der Fahrt über den Ofenpass fordert die Party ihren Tribut – es wird sehr still im Car, die meisten schlafen oder dösen vor sich hin. Doch im Nationalpark-Zentrum sind alle wieder wach. Mit der Audio-Guide am Ohr wird die sehr interessante Ausstellung studiert. Sie ist wirklich gut gemacht und die Zeit vergeht im Fluge. Schon müssen wir ins Restaurant Spöl wechseln und kriegen dort einen super Dreigänger serviert. Und dann geht’s auf die letzte Etappe. Die Fahrt verläuft flüssig, ein kurzer Kaffeehalt im Landgasthof zur Bündte in Jenins erlaubt es, die Beine nochmals zu strecken, und gegen 18 Uhr treffen wir müde, aber zufrieden in Nefti ein.

Es war ein tolles Wochenende. Grazia fich, Musica Aurora!

Zürcher Landbank